GIOVANNI DOMENICO TIEPOLO (1727 - Venedig - 1804) – Der heilige Josef hält das Jesuskind (Still life with wine, bread, glasses and the remains of a meal)
Sanftmütig blickt der heilige Josef auf das Jesuskind hinab, das er, auf ein weißes Tuch gebettet, liebevoll in seinen Armen wiegt. Der enge, beinahe porträthafte Bildausschnitt vermittelt den Eindruck eines intimen Augenblicks, in dem Josef über das Schicksal seines Ziehsohnes sinniert. Das kürzlich in bayerischem Adelsbesitz wiederentdeckte Werk von Giovanni Domenico Tiepolo offenbart den starken Einfluss seines Vaters Giovanni Battista und die enge künstlerische Zusammenarbeit zwischen beiden. So reisten Vater und Sohn 1750 gemeinsam nach Würzburg, um an der Ausstattung der Residenz des Fürstbischofs mitzuwirken. Nach einem kurzen Aufenthalt in Venedig wurden sie 1762 an den Hof König Karls III. in Madrid berufen, wo sie mehrere Palasträume mit Fresken schmückten, wobei es der Forschung bis heute schwerfällt, die jeweiligen Hände eindeutig voneinander abzugrenzen.
Die Darstellung des heiligen Josefs kann mit einem Altarbild in Verbindung gebracht werden, das „Giambattista“ um 1767 während seines Aufenthalts in Madrid im Auftrag des Königs für die Kirche San Pascual Baylón in Aranjuez malte. Ein Fragment dieses Werkes befindet sich heute im Detroit Institute of Arts (Inv.-Nr. 44.213). Die Komposition weist Parallelen zu der vorliegenden auf, wobei Josef dort in voller Figur mit einem Blütenstab, jedoch ohne Heiligenschein, dargestellt ist und von einem weiten landschaftlichen Kontext umgeben wird, der im Mittelgrund in eine Stadtsilhouette mit Domkuppel übergeht. Mehrere Putti und Engel schweben auf Wolken über der Szene und reichen ehrerbietend einen Korb mit Blumen heran. Auch die Haltung des Jesuskindes ist in beiden Darstellungen identisch, wie eine vorbereitende Rötelzeichnung Giovanni Battistas belegt, die heute in der Hyde Collection in Glens Falls aufbewahrt wird (Inv.-Nr. 1971.80, vgl. George Knox, Giambattista and Domenico Tiepolo. A Study and Catalogue Raisonné of the Chalk Drawings, Oxford 1980, Kat.-Nr. M.110, Abb. 263).
Dass der Franziskaner Joaquín de Eleta, Beichtvater von Karl III., in Aranjuez lebte, dürfte die Wahl des Motivs entscheidend beeinflusst haben. Seit 1689 wurde der heilige Josef als Beschützer des spanischen Königreichs verehrt, und seine Verehrung erfuhr im Zuge der Gegenreformation einen erneuten Aufschwung. In dieser Zeit entstanden zahlreiche Kunstwerke, die die innige Beziehung zwischen dem Jesuskind und seinem Pflegevater thematisierten.
Provenienz:
Baron Ferdinand Carl von Stumm (1880-1954), Schloss Rauischholzhausen, Hessen;
danach durch Erbfolge in süddeutschem Adelsbesitz.