Im Frühjahr 1975 mieten die Rolling Stones Warhols Montauk Church Estate auf Long Island, um sich auf ihre nächste Tour vorzubereiten. Warhol nutzt diesen Umstand und fertigt zahlreiche Fotografien von Mick Jagger, die ihn mit nacktem Oberkörper in einer Vielzahl verschiedener Stimmungen zeigen. Dadurch, dass er für die daraus entstehenden Grafik-Porträts seine eigenen Schnappschüsse verwendet, eliminiert Warhol ein entscheidendes Moment seiner früheren Arbeiten. Er kreiert daraus Portfolios, bestehend aus zehn unterschiedlichen Bildnissen, für die er erstmals eine neue Technik verwendet: eine Kombination aus Foto, Collage und gezeichneter Linie. Wie Papierstreifen legt er Farbflächen über die eigentliche Darstellung und schafft so wirkungsvolle und kokettierende Darstellungen des Musikers. Neben der Marilyn-Monroe-Serie gehören die Mitte der 1970er Jahre entstandenen Darstellungen Mick Jaggers zu den berühmtesten Porträtdarstellungen Andy Warhols. Der Frontmann der 1962 gegründeten Band Rolling Stones, die zum damaligen Zeitpunkt bereits zahlreiche Amerika- und Europatourneen hinter sich hatten und nicht nur durch ihre progressive Musik, sondern auch durch ihre provozierenden Bühnenshows zu weltweitem Ruhm gelangt waren, galt geradezu als Sinnbild einer allen bisherigen gesellschaftlichen Konventionen wehrenden Freiheit. Der Sonderling Warhol, der selbst seit den 1960er Jahren mit weißblond gefärbter Perücke und schwarzer Sonnenbrille sein Markenzeichen gefunden hatte, muss in Mick Jagger eine Art exzentrisches Alter Ego erkannt haben, das ihn zu epochalen Porträtdarstellungen inspiriert hat. Eine Besonderheit ist die Unterschrift des Musikers auf manchen der Drucke. Nicht nur der ,,Maler“, sondern auch sein Modell verewigen sich in diesen Arbeiten. [EH]